Aufstellen
Unsere Vergangenheit ist oft nicht vergangen, und die Toten sind nicht tot. Die alte Familie klebt an uns wie Gespenster, die uns erschrecken. Immer wieder, bis wir sie anschauen. Lange. Bis wir sagen: Ich sehe dich. Und manchmal: Ja, dir ist Unrecht geschehen. Manchmal warten auch wir, bis zu uns jemand von ihnen sagt:: Ich habe dir Unrecht getan, es tut mir so leid. Anders geht kein Ausgleich.
An manchen Punkten im Leben dürfen die Gestorbenen auferstehen und die Lebenden für ihr Daseinsrecht einstehen. Und der eine oder andere Enkel sorgt dafür, dass der eine oder andere Engel ihnen zunickt und sagt: Jetzt darfst du es aussprechen.
Während der Mann mit dem Hund am Boddenschilf entlang spazieren geht, der Pianist am Meer ein Konzert gibt, ein Film über einen geistig Kind gebliebenen Vater im Bibelzentrum läuft, eine ehemalige Bühnenmalerin überlegt, wo denn nun ihr innerer Esel seinen Stall finden kann, während Väter warten, dass Kinder anrufen und Kinder warten, dass Eltern anrufen und fragen, wie es ihnen gehe, kommen woanders im Land endlich die Toten zu ihrem Recht, werden gewürdigt. Die längst erloschenen Augen können sich endlich schließen. Und die Lebenden spüren etwas Neues, prickelnd Lebendiges in ihrem eigenen Atem.