Von Mitgliederinnen und Sprachwächtern
Vor einigen Tagen hörte ich im Autoradio eine unbekannte Vokabel: Mitgliederinnen. Jetzt schlägt´s Dreizehn, hätte meine Oma gesagt, was ist denn das?
Wie hätte ich ihr das erklärt?
Nun, woher „Mitglied“ kommt, beantwortet sich von selbst. Und in den alten patriarchalen Gesellschaften durftest du in die Clubs und Vereine nur als Gogogirl oder als Mitglied. Heutzutage gibt’s eben genauso auch Frauen als Mitglied.
Da hätte meine Oma schelmisch geschmunzelt und „Soso“ gesagt. Oder: „Natürlich. Neue Zeiten, neue Umstände, neue Dinge, neue Wörter.“ Und klar, hätte ich gesagt, der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Ich finde es auch sehr charmant, wenn Gerburg Jahnke in „Lady´s Night“ ihre „Gästinnen“ begrüßt.
Aber Mitgliederinnen?
Sprache ist etwas über Jahrtausende Gewachsenes, ein lebendiges Gebilde, mit Artikel „die“, also weiblich. Neue Worte und Bezeichnungen werden da aufgenommen, wie so viele Anglismen derzeit, vor allem aus der IT-Sprache, einige Worte verbreiten sich in anderen Sprachen, wie Kindergarten (englisch: Kindergarden) und Fahrgefühl (In der amerikanischen Werbung für Autos gebräuchlich: „With Fahrgefühl!“)
Im gleichen Sender zur gleichen Stunde von der gleichen Moderatorin wurde dafür der Genitiv falsch gebraucht. Statt „des Bären“ sagte sie „des Bäres“.
Mich stört sowas!
Dass der Genitiv nicht unbedingt ständig im Alltag gebräuchlich ist, sei dahingestellt. Aber als Moderator eines öffentlichen Senders (auch in den TV-Sendern zur besten Nachrichtensendezeit ist mir das schön öfter aufgefallen) sollte man seine Grundausrüstung Sprache schon beherrschen.
Wenn es nur darum ginge, ob sich jemand freiwillig der neuen deutschen Gendersprache bediene oder nicht, dann würde ich sagen, ach ja, mal schauen, was sich davon durchsetzt und was bleibt. Da es aber jetzt darum geht, die neuen Formen per Verordnung offiziell durchzusetzen, sich in Universitäten eine 10%ig schlechtere Benotung einzuhandeln, wenn man sich nicht daran hält, neue Genderministerien zu finanzieren, Straßenschilder und Ordnungsblätter neu zu drucken, da ist es nun verständlich, dass sich die Sprechenden und Schreibenden zu Wort melden und zumindest eine Diskussion verlangen.
Konkret: Ich las heute einen Artikel der Süddeutschen Zeitung, geschrieben von Till Raether: „Der Schwachpunkt der selbsternannten Sprachwächter“, in welchem er über einen „Aufruf gegen sprachlichen Gender-Unfug“, verfasst von vielen verschiedenen Prominenten schrieb. Oder besser polemisierte. Die Unterzeichnenden, u.a. Monika Maron, Reiner Kunze, Dieter Nuhr, Dieter Hallervorden, Günter Kunert, Judith Hermann, Katja Lange-Müller, Angelika Klüssendorf werden als „herrlich bunt gemischte Unterschriftenliste“, als „Verein für Leute, die sich als Fans der deutschen Sprache begreifen“, als „pegidanah“ und „rechts“ bezeichnet, wobei sich der Autor gar nicht bewußt ist, dass er sowohl im Titel als auch im Text sein so verteidigtes Gendersternchen, wahrscheinlich aus Gründen des gewohnten Sprachflusses, selbst weggelassen und die einfache Pluralform gewählt hat: Sprachwächter, Prominente..
Denn wer Wächter sagt, müsste auch Wächterinnen sagen.
Oder gehört die einfache Pluralform für Herrn Raether bereits zum verächtlichen Ton, mit dem er die Unterzeichner regelrecht diffamiert und aburteilt? Gerade wenn Frauen, noch dazu Schriftstellerinnen, sich gegen diese Sternchen, Innen und Schrägstrich-Aufzählungen aussprechen, sollte das doch zu denken geben. Oder ist diese Sprachverordnung gar nicht FÜR Frauen gemacht?
Und sind die Bücher, Gedichte, Lieder, Texte, Filme der Unterzeichner nun nichts mehr wert, weil ein aussortierter Hans Georg Maaßen auch unterschrieben hat? Und was ist mit Dorothee Bär aus der CDU?
Das Lesen dieses Artikels macht mich fassungslos, der Ton wütend. Ich soll also lernen, dass verordnetes Gendern im beruflichen Schriftwechsel nichts Diktatorisches hat, „ein Stern doch ein schönes allumschließendes Zeichen ist und Kritiker mit den angesprochenen „Verrenkungen“ der Sprache „womöglich die Tastatur-Randlage meinen, die etwas schwerer zu erreichen ist…“ Und schließlich „müsse man sich auch auf anderen Ebenen Arbeitsplatz-Richtlinien anpassen.“
Arbeitsplatz-Richtlinien für einen Arbeitsplatz mit einer verordneten Sprachveränderung im ganzen Land zu vergleichen ist, denke ich, wohl nicht ganz statthaft. Sprache ist ein Allgemeingut, ein Kulturgut, sie gehört genauso gut Judith Hermann oder Monika Maron wie sie auch mir gehört. Ich habe sie mir als Kind angeeignet, habe Rechtschreibung und Grammatik und Sprachgefühl gelernt und später Germanistik studiert. Und ich werde sie so sprechen, wie es mir gefällt, wie sie für mich stimmig ist.
Und wenn es stimmt, dass die Sprache ein lebendiges Gebilde ist, dann glaube ich, dass sie selber es sein wird, die sich zu viel der unsinnigen Veränderungen nicht gefallen lassen wird.
In den nordischen Ländern Finnland, Schweden, Norwegen sind die Förderungen für Genderinstitute inzwischen versiegt, die Einrichtungen geschlossen worden.
Es scheint nicht der richtige Weg für das Anliegen, das dahinter steht und höchst berechtigterweise Aufmerksamkeit und Gleichstellung verlangt. Die alten Weisheitslehren kennen die gegensätzlichen Prinzipien u.a. als Ying und Yang. Ying als das weibliche, Yang als das männliche Prinzip. Den beiden ein gleich geachtetes, gleich berechtigtes Dasein zu ermöglichen, hieße, in jedem Menschen die männlichen und weiblichen Anteile zu achten, sie gleichrangig wertzuschätzen. Das Weiche wie das Harte, das Leise wie das Laute, das Langsame wie das Schnelle, und das nicht nur im Menschen. Das Eine geht nicht ohne das Andere, beide bedingen einander. Ohne Ausatmen kein Einatmen.
Wir aber hier in der abendländischen Region der Welt messen den meisten Wert der Yang-Seite zu, gut ist, was Leistung bringt, Tempo hat, den Anderen übertönt, hart ist, schneller, besser, weiter, nur einatmen..
Was wir aber brauchen ist der Ausgleich. Das Wertschätzen der Langsamen, derjenigen, die Babies beruhigen, die alte Menschen waschen und windeln und mit ihnen sprechen, ihnen die Hand halten, in Verbindung bleiben, die abgemagerte scheue Hunde wieder aufpäppeln, mit Kindern Mensch-ärgere-dich-nicht spielen oder den Job aufgeben, weil sie einen Ehepartner oder die Eltern oder ein Kind bis zum Schluss einer Krankheit pflegen. All dieses Tun verdient so viel Achtung, ja Ehre, und doch fällt es in dieser Gesellschaft, wo Krankenhäuser und Pflegedienste nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten und Vorgaben arbeiten müssen, hinten runter.
Mein Gott (auch immer noch männlich in diesem Abendland), es wird doch nichts bringen, Frauen zu Mitgliederinnen zu machen. Und was wird aus Wörtern wie Fußgängertunnel oder Mitgliederversammlung?
Hey, denke ich, in der DDR hab ich mal „Lehrer“ studiert, meine Freundin war Abteilungsleiter, und Gleichberechtigung war kein Thema, wir waren gleichberechtigt, dafür alles mögliche Andere nicht. Und wir hatten zu Weihnachten anstatt Putten und Engel „Jahresendfiguren mit Flügeln“.
Aber wir haben Rechtschreibung und eine eigene Handschrift gelernt, die als Schreibschrift an vielen Schulen jetzt nicht mehr zum Lehrplan gehört.
Meine Sprache gehört mir, sie ist ein intimer Teil von mir, mit dem ich auch in Zukunft so leben möchte, wie es mir gefällt.
Und ja, ich möchte „Mitgliederin“ im Verein der Sprachwächter werden!
Andrea Jennert
2 Gedanken zu „Von Mitgliederinnen und Sprachwächtern“
Liebe Andrea Jennert,
als Autor, Verleger und Sprachwissenschaftler kann ich Ihnen in fast allen Punkten zustimmen. Schön, eine Stimme der Vernunft in ideologisch vermintem Gelände zu hören.
Dass Sprachaktivistinnen das Gendern forcieren und das generische Maskulinum bekämpfen
– hat keine sprachwissenschaftliche Grundlage und offenbart Unkenntnis der sprachlichen Grundtatsachen,
– führt in der Konsequenz zur sprachlichen, ideologischen und sozialen Spaltung der Sprachgemeinschaft
– baut überflüssigerweise falsche Fronten auf und ist für die Sache der Frauen kontraproduktiv.
– verbraucht geistige und materielle Ressourcen, die an anderer Stelle sinnvoller eingesetzt wären
Der feministische Sprachaktivismus, der Mainstream-Feminismus und insbesondere die Gender-Theorie in Form des Gender-Mainstreaming haben in den letzten Jahren die Wahrnehmung einiger Aktivistinnen (und ihrer Nachahmer) so verändert, dass sie im generischen Maskulinum ein Feindbild sehen, das bekämpft werden muss. Genus wird mit Sexus gleichgesetzt, so dass alles, was an der Sprache irgendwie „männlich“ klingt oder aussieht, abgelehnt wird. Das ist eine schon fast zwanghaft zu nennende Fixierung auf das Geschlecht. Ich nenne diese Verschiebung der Wahrnehmung „Gender-Brille“.
Derzeit ist es leider so, dass die Auseinandersetzung um das Gendern über weite Strecken den Charakter eines Glaubenskrieges angenommen hat. Statt sich mit Argumenten auseinanderzusetzen, werden von seiten der Befürworter die Moralkeulen ausgepackt.
Höchste Zeit, verbal und ideologisch abzurüsten. Ob gegendert wird oder nicht , ist nicht wichtig. Jemand, der das generische Maskulinum verwendet, kann ein sehr respektvoller Mensch sein, jemand, der gendert , muss es nicht unbedingt sein. Es kommt nicht auf die Sprache an, sondern immer auf die Haltung, die dahintersteht.
Wohl dem, der die Freiheit hat über Sprache öffentlich streiten zu können!
Schlimm, sprachlos zu sein oder gar mundtot gemacht worden zu sein! Erinnern wir uns?